talgwaren & Absterben (für 3 Meldoicas und Diaprojektoren)


aufgeführt von/performed by: MAM (Lübeck 2011)

ensemble chronophonie (Köln, Dez. 2012)


talgwaren&Absterben_reduced to the max.pdf





Prinzipiell basiert dieses Stück auf der Parodisierung und Verballhornung überlieferter Gewohnheiten, die inzwischen in Schieflage geraten sind:

- Werbekommunikation, die die gemeinsame Sprache falsch verwendet oder durch ihre Banalität das pure Verkaufsbedürfnis, ohne Rücksicht auf Qualitätsverlust, bloßlegt.

- Die Popularität der chromatisch-tonalen Musik, die durch die massenhafte Verbreitung der Melodicas in den 50er Jahren auf einen Minimalkonsens heruntergebrochen werden konnte, bzw. Laiengerecht vereinfacht wurde.

- Die prinzipielle Abgenutztheit musikalischer Idiome wie dem Durdreiklang, der 12ton-Technik und der Clusterbildung.

- Der Ausverkauf eigener traditioneller Musik (hier mit der Panflöte, wie es die Indios teilweise in deutschen Fußgängerzonen tun müssen) als Kaufhaushäppchen in exotische Nostalgie verpackt und vereinfacht.

- Die Karnevalsmaske als verbrauchtes Mittel zur Auflockerung und Verdrängung des echten Lebens.

- Das schnell heruntergedrückte Essen als notwendiges Übel, dem keine Wertschätzung entgegengebracht wird.

Diese Tatsachen werden zunächst nur deskriptiv dargestellt und durch ihre Verballhornung dann allerdings ins Fragwürdige und Lächerliche gedrängt.

Zusätzlich zu diesem Aufgeilen an Chaos und Ausverkauf einer Gesellschaft, das schnell Gefahr läuft, als pessimistisch-intellektuelle Weltsicht sich vom Gros der Gesellschaft absetzen zu wollen, wird durch kurz aufblitzende tatsächliche Gefahren daran gemahnt, dass es noch wesentlich gröbere Probleme zu bewältigen gilt, denen sich jeder stellen sollte. Es verweist zudem darauf, dass die alltäglichen Banalitäten bei ständiger Missachtung auch zu ernsthaften Gefahren werden können. Denn Naivität und Unwissen gekoppelt mit Herrschsucht und Tatendrang führen langfristig zur Barbarei.

Ein Strang sein als Beispiel angeführt:

Die Melodica als heiter-musikantisches Instrument findet sein Pendant in der Militärkapelle. Das blinde Mitmachen nur um des musizierens Willen unterstützt das Militär uneingeschränkt, welches im Krieg unverhinderlich zu kollektiven Gewalttaten gezwungen wird. Diese Entwicklung ist freilich sehr konstruiert und willkürlich gesetzt, verwährt jedoch auf abstrakter Ebene nicht einer tatsächlichen Gefahr: Die Missachtung von Banalitäten im Alltag (Die oft nicht auf die Verantwortlichen, sondern die Umstände zurückzuführen sind) als Grundlage für größeres Unrecht.