Lieber Jean (for tenor, baritone, bass and 2 Trombones) 5’ - 2017
dedicated to the Klangforum Heidelberg
aufgeführt von/performed by: SCHOLA Heidelberg / ensemble aisthesis
Lieber Jean
entstand als Deploration zu Bernd Alois Zimmermanns hundertsten Geburtstag im Auftrag des Klangforum Heidelberg.
Zimmermanns Briefe von der Front im zweiten Weltkrieg an seinen Freund Jan Natermann (Jean), beschreiben unter anderem die alltägliche Grausamkeit der Abstumpfung und Verrohung an der Front. Das faszinierende oder tragische an diesen Briefen ist die Ohnmacht des Einzelnen gegenüber eines solchen Gewaltaktes, wie es ein Krieg ist. Zimmermann war kein aktiver Regimegegner, aber vermutlich auch nicht freiwillig in den Krieg gezogen. Die Nüchternheit der Briefe und die alltäglichen Bedürfnisse sind erschreckend realistisch und werden in diesem Klagegesang in Watte getaucht. Der Klang übertönt größtenteils den Inhalt der Brieffragmente, da er ihnen nicht traut aber trotzdem zu Gehör kommen lassen will. Die Fragen, ob man diese Texte vertonen darf, ob man sie verbergen sollte oder als reinen text diskutieren sollte, treten in den Hintergrund und ein ängstlicher Versuch tritt an die Stelle.
Die Fragmente:
Die Fahrt war große Scheiße. Polen ist bei den Soldaten nämlich sehr “beliebt”. Na, ja.
Die Granatsplitter zischten uns um die Köpfe, daß es nur so eine Art hatte.
Am Heiligen Abend waren die Brüder besoffen wie die Schweine, und gekotzt haben sie wie die Reiher - wahrlich eine schöne Weihnachtsfeier! In solcher Lage erscheint einem fast der Suff als der würdigste “modus vivendi”.
Immer furzte das, was man so schön Vorsehung nennt dazwischen.
Man wird ja auch weich, wenn man drei Monate im Lazarett liegt. Nervtötend so was.
Wir reißen unsere faulen Witze, lachen über jeden Scheißdreck ganz unbändig, um wieder bei einer anderen Gelegenheit wie sinnend in eine sinkende Sonne zu blicken.
Eine große Scheiße ist es, daß hier weit und breit kein Klavier aufzutreiben ist.
Du wirst schon die Nase voll haben von diesem Jammergeschrei. Also Schluß!
Übrigens musst Du so ’nen Quatsch möglichst bald vergessen.